"Gute Vorsätze"

mal schauen, ob man sie sich erfüllen kann

 

 

Normalerweise nehme ich mir für das kommende Jahr nie etwas vor, da es ja - erfahrungsgemäß - doch alles nicht klappt. Aufräumen, Abnehmen, nicht so viel meckern, mehr Sport treiben usw. Richtig geklappt hat nie etwas!

 

2009 habe ich es aber wenigstens einmal versucht. Es ging um ein wenig mehr Ausgeglichenheit. Die Vermeidung von Gefühlen wie: "Gleich platze ich!", "Wenn der Typ vor mir weiter SO Auto fährt, dann beiß' ich ins Lenkrad...!" oder "Warum passiert IMMER nur MIR so etwas? Mit dem Kopf gegen die Wand schlag".

 

Es gibt in dem Buch "Herr Lehmann" von Sven Regener eine schöne Stelle, die genau beschreibt, wie man in einer solchen Situtation reagieren sollte. Ich habe es mir dann als Vorsatz für 2009 genommen. Ein wenig hat es schon funktioniert, doch es ist ein langer Weg - ich bleibe aber dran.

 

 

Herr Lehmann mußte oben in gebückter Haltung warten, bis der Bus an der Joachimsthaler Straße hielt und er endlich weiter nach unten gehen konnte, wobei er von den nachdrängelnden Leuten gleich mit nach draußen gespült wurde. Er wartete dort, bis alle ausgestiegen waren und ging dann wieder in den Bus hinein.

„Sie da, vorne wird eingestiegen“, kam eine Stimme aus dem Buslautsprecher. Herr Lehmann konnte es nicht fassen. „Ich fahr nicht weiter“, tönte es aus dem Lautsprecher, „vorne wird eingestiegen.“

Herr Lehmann, dem jetzt alles egal war, stieg wieder aus, ging nach vorne und stellte sich an. Als er beim Einsteigen dem Fahrer sein Kudamm-Ticket zeigte, schüttelte der den Kopf.

„Der gilt nur einmal“, sagte er.

„Aber ich hab den doch eben bei Ihnen gekauft.“

„Weiß ich nicht.“

„Ich bin doch eben nur kurz ausgestiegen, um Platz zu machen. Ich bin doch hier in dem Bus gewesen, ich meine, ich hab den doch gerade eben bei Ihnen gekauft.“

„Kann ja jeder sagen. Eine Mark.“

Herrn Lehmann reichte es jetzt. Es müssen, dachte er grimmig, andere Saiten aufgezogen werden. Jetzt, dachte er, wird klar Schiff gemacht, jetzt rappelt’s im Karton, tabula rasa, Schluß mit lustig. Er lächelte den Fahrer an und legte den Fahrschein auf die Kassierfläche.

„Hier, guter Mann“, sagte er.

„Was soll das denn jetzt?“

„Na ja“, sagte Herr Lehmann liebenswürdig, „Ich habe keine Verwendung mehr für Ihren schönen Fahrschein. Wenn Sie den bitte entsorgen könnten. Und das macht dann noch mal eine Mark für einen neuen, nicht wahr?“

„Eine Mark“, nickte der Fahrer.

„Hier sind zwei, guter Mann“, sagte Herr Lehmann und legte ein Zwei-Mark-Stück auf den alten Fahrschein. „Nehmen Sie die und machen Sie sich einen schönen Tag damit. Nein“, wehrte er ab, „Ihre Fahrscheinprodukte will ich nicht mehr, vielen Dank für Ihre Mühe.“

Damit stieg Herr Lehmann aus dem Bus. Er drehte sich noch einmal um und winkte dem Fahrer zu. „Die zwei Mark haben Sie mehr als verdient“, rief er herzlich. „Sie sind wirklich ein ganz großer Stratege. Nun fahren Sie schon, Sie haben doch nicht den ganzen Tag Zeit.“

Der Busfahrer schaute auf das Geld und auf Herrn Lehmann und suchte nach Worten. Das freute Herrn Lehmann. Er machte eine wegschickende Handbewegung. „Husch husch“, rief er und fügte, in Erinnerung an seine Bundeswehrzeit, hinzu: „Schon weg sein! Schon wieder hier sein.“ Er ließ den Mann und seinen Bus stehen und ging gutgelaunt zu Fuß weiter.

 

   Sven Regener

- Herr Lehmann -