Reinhard Mey

 

 

 

SEI WACHSAM

 

Ein Wahlplakat zerrissen auf dem nassen Rasen
Sie grinsen mich an, die alten aufgeweichten Phrasen
Die Gesichter von auf jugendlich gemachten Greisen
Die dir das Mittelalter als den Fortschritt anpreisen
Und ich denk mir, jeder Schritt zu dem verheiß'nen Glück
Ist ein Schritt nach ewig gestern, ein Schritt zurück
Wie sie das Volk zu Besonnenheit und Opfern ermahnen
Sie nennen es das Volk aber sie meinen Untertanen
All das Leimen, all das Schleimen ist nicht länger zu ertragen
Wenn du lernst zu übersetzen, was sie wirklich sagen
Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm:
Halt du sie dumm, ich halt sie arm!

 

Sei wachsam
Präg' dir die Worte ein!
Sei wachsam
Und fall nicht auf sie rein!
Paß auf, daß du deine Freiheit nutzt
Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
Sei wachsam
Merk dir die Gesichter gut!
Sei wachsam
Bewahr dir deinen Mut.
Sei wachsam
Und sei auf der Hut!

 

Du machst das Fernsehen an, sie jammern nach guten, alten Werten
Ihre guten, alten Werte sind fast immer die verkehrten
Und die, die da so vorlaut in der Talk-Runde strampeln
Sind es, die auf allen Werten mit Füßen rumtrampeln:
Der Medienmogul und der Zeitungszar
Die schlimmsten Böcke als Gärtner, na wunderbar!
Sie rufen nach dem Kruzifix, nach Brauchtum und nach guten Sitten,
Doch ihre Botschaft ist nichts als Arsch und Titten.
Verrohung, Verdummung, Gewalt sind die Gebote,
Ihre Götter sind Auflage und Einschaltquote.
Sie biegen die Wahrheit und verdrehen das Recht:
So viel gute alte Werte, echt, da wird mir echt schlecht!

Sein wachsam...

Es ist ´ne riesen Konjungtur für Rattenfänger,
Für Trittbrettfahrer und Schmiergeldempfänger,
´ne Zeit für Selbstbediener und Geschäftemacher,
Scheinheiligkeit, Geheuchel und Postengeschacher.
Und die sind alle hochgeachtet und sehr annerkannt,
Und nach den Schlimmsten werden Straßen und Flugplätze benannt.
Man packt den Hühnerdieb, den Waffenschieber läßt man laufen,
Kein Pfeiffchen Gras, aber ´ne ganze Giftgasfabrik kannst Du kaufen.
Verseuch´die Luft, verstrahl das Land, mach ungestraft den größten Schaden,
Nur laß Dich nicht erwischen bei Sitzblockaden!
Man packt den Grünfreak, doch das Umweltschwein genießt Vertrau´n.
Und die Polizei muß immer auf die Falschen draufhau´n.

Sei wachsam...

Wir hab´m ein Grundgesetz, das soll den Rechtsstaat garantier´n.
Was hilft´s , wenn sie nach Lust und Laune dran manipulieren,
Die Scharfmacher, die immer von der Friedensmission quasseln,
Und unterm Tisch schon emsig mit dem Säbel rasseln.
Der alte Glanz in ihren Augen beim großen Zapfenstreich,
Abteilung kehrt, im Gleichschritt marsch, ein Lied und Heim ins Reich!
"Nie wieder soll von diesem Land Gewalt ausgehen!"
"Wir müssen Flagge zeigen, dürfen nicht beiseite stehen!"
"Rein humanitär natürlich und ganz ohne Blutvergießen!"
"Kampfeinsätze sind jetzt nicht mehr so ganz auszuschließen."
Sie ziehen uns immer tiefer rein, Stück für Stück.
Und seit heute früh um fünf Uhr schießen wir wieder zurück.

Sei wachsam...

Ich hab Sehnsucht nach Leuten, die mich nicht betrügen,
Die mir nicht mit jeder Festrede die Hucke voll lügen,
Und verschon' mich mit den falschen Ehrlichen,
Die falschen Ehrlichen, die wahren Gefährlichen!
Ich hab´ Sehnsucht nach einem Stück Wahrhaftigkeit,
Nach ´nem bißchen Rückgrad in dieser verkrümmten Zeit.
Doch sag die Wahrheit und Du hast bald nichts mehr zu Lachen,
Sie wer´n Dich ruinier´n, exikutier´n und mundtot machen,
Erpressen, bestechen, versuchen Dich zu kaufen.
Wenn Du die Wahrheit sagst, laß draußen den Motor laufen,
Dann sag´ sie laut und schnell, denn das Sprichwort lehrt,
Wer die Wahrheit sagt braucht ein verdammt schnelles Pferd!

Sei wachsam...

 

 

 

Keine Ruhige Minute

 

Was habe ich in all den Jahren ohne dich eigentlich gemacht,
als Tage noch tagelang waren, wie hab' ich sie nur rumgebracht?
Ohne Spielzeug zu reparieren, ohne den Schreck der Nerven zehrt,
ohne mit Dir auf allen Vieren durch's Haus zu traben als dein Pferd?

Keine ruhige Minute ist seitdem mehr für mich drin.
Und das geht so, wie ich vermute, bis ich hundert Jahre bin.

Du machst dich heut' in meinem Leben so breit daß ich vergessen hab',
was hat es eigentlich gegeben, damals als es dich noch nicht gab ?
Damals glaubt' ich alles zu wissen, bis du mir die Gewißheit nahmst,
Nie glaubt' ich etwas zu vermissen, bis an den Tag, an dem du kamst.

Das Haus fing doch erst an zu leben seit dein Krakeelen es durchdringt,
seit Türen knall'n und Flure beben und jemand drin Laterne singt.
Früher hab ich alter Banause Möbel verrückt, verstellt, gedreht,
ein Haus wird doch erst ein Zuhause, wenn eine Wiege darin steht!

Tiefen und Höh'n hab' ich ermessen, Ängste und Glück war'n reich beschert,
das war ein leises Vorspiel dessen, was ich mit dir erleben werd' !
Denn du kommst und gibst allen Dingen eine ganz neue Dimension,
und was uns nun die Jahre bringen meß' ich an dir, kleine Person!

 

 

Willkommen an Bord!

 

Ich stolper schweißgebadet in die Abflughalle,
Mein Flug ist aufgerufen und da stehn sie auch schon alle.
Onkel Robert feiert heut seine Beerdigung
Und da komm‘ ich halt mal rüber auf einen Sprung.
Natürlich nicht zu Lande, wie im Mittelalter:
Ich hab‘ ein Ticket, und da vorne blinkt mein Abflugschalter.
‘ne Frau mit Pelz und Yorkshire-Terrier drängelt sich vor,
Ich krieg‘ ‘nen Kofferkarr‘n ans Schienbein, jemand niest mir ins Ohr.
Und so stehe ich geduldig und so steh‘ ich ziemlich lange
Jetzt bin ich dran, nur leider steh‘ ich in der falschen Schlange.
Ich steh in A und muß nach C, noch mal die wilde Hatz!

Ich geb‘ den Koffer auf und kriege einen Fensterplatz.
Zur Kontrolle: Vor und hinter mir nur Aktenkofferträger.
Ich geb‘s zu, dazwischen seh‘ ich aus wie ‘n echter Bombenleger!
So werd‘ ich dementsprechend abgegrabbelt und gefilzt.
Ist schon o. k., du mußt halt leiden wollen, wenn du fliegen willst!
Eine Engelsstimme aus dem Wartesaallautsprecher flötet,
Daß der Abflug sich um eine knappe Stunde verspätet.
Schließlich pfercht man uns ins Flugzeug, durch den engen,
düstren Schlauch,
Ich spür‘ ‘nen Ellbogen im Nacken und ‘nen Lap-Top im Bauch.

Willkommen an Bord, Käpten Hansen freut sich jeck!
Willkommen an Bord! Bitte nur ein Handgepäck.
Willkommen an Bord! Kleiner Sicherheitscheck.
Willkommen bei der Airline mit der Gabel am Heck!

Auf meinem Fensterplatz sitzt ein Koloß: „Verzeih‘n Sie, ach bitte!“
Ich mache keinen Aufstand und ich setz‘ mich in die Mitte.
Ich hangle mich über den Herrn im Sitz am Gang,
Er riecht ein bißchen ungewöhnlich und ist ungewöhnlich lang.
Unverzüglich bringt er seine Zeitung zur Entfaltung,
Ich begebe mich zwangsläufig in Embryohaltung.
Die Stewardeß heißt Silke und ist blond und adrett
Und beginnt vorne im Gang mit ihrem Sicherheitsballett:
„Unser Flugzeug hat sechs wunderschöne Notausgänge,
Und bei Druckverlust fall‘n viele kleine Masken in die Menge.
Keine Pfeifen und Zigarr‘n, nicht im WC und nicht im Gang.
Anschnall‘n, Tischchen hoch und Lehne senkrecht, vielen Dank!“
Der Koloß puhlt sich Speisereste aus seinen Zahnlücken,
Mein Hintermann bohrt mir zwei spitze Knie in den Rücken.
Mein rechter Nachbar blättert um und während ich mich bück‘
Um auszuweichen, klappt mein Vordermann die Sitzlehne zurück.
Der Flug ist turbulent und ich erwäge, mich zu rächen
Und mich mal kurz nach vorne über die Lehne zu erbrechen.
Ich heb‘ mir das noch etwas auf, nachher vielleicht,
Denn jetzt kommt Silke und es wird ein kleiner Imbiß gereicht.

 

Willkommen an Bord, Käpten Hansen freut sich jeck!
Willkommen an Bord! Bitte sehr, ein kleiner Snack!
Willkommen an Bord! Und ein Plastikgedeck!
Willkommen bei der Airline mit der Gabel am Heck!

Es gibt Folienbrot und Schinken mit unreifer Melone,
Dazu ein Döschen Wasser mit ‘nem Scheibchen Zitrone.
Der „Lange“ hat ein Funktelefon und als alles ißt,
Telefoniert er laut, damit man sieht, wie wichtig er ist.
Jetzt hat er sich die Antenne ins Ohr gestochen.
Mein Vordermann hat sich über sich selbst erbrochen.
„Darf‘s ein Täßchen Kaffee oder ein Erfrischungstüchlein sein?“
Die Stewardeß teilt alles aus und sammelt alles wieder ein.
Käpten Hansen macht ‘ne Durchsage, ich hab‘ kein Wort verstanden,
Nur, daß wir wegen Nebel heut mal ganz woanders landen.
Ich würd‘ gern mal aufs Klo gehn, aber grade jetzt
Gehn die Anschnallzeichen an und die Toiletten sind besetzt.
Um die Zeit ist Onkel Robert sicher längst unter der Erde,
Sieht nicht so aus, als ob ich noch pünktlich zur Party kommen werde!
Nichts stimmt auf diesem Flug, Argwohn durchfährt mich wie ein Blitz:
Wahrscheinlich gibt‘s auch gar keine Schwimmweste unter meinem Sitz!
Doch Käpten Hansen ist inzwischen unerschrocken gelandet,
Am Gepäckband wird mir klar: Ich bin zu Hause gestrandet!
Ich stand heut früh doch schon mal hier, genau an diesem Fleck.
Es gibt nur einen Unterschied. Jetzt ist mein Koffer weg!

Willkommen an Bord, Käpten Hansen freut sich jeck!
Willkommen an Bord! Ein Tomatensaftfleck.
Willkommen an Bord! Und wo ist nun mein Gepäck?
Willkommen bei der Airline mit der Gabel am Heck!

Da fällt mir ein Werbeslogan ein, ein ganz obszöner,
Wie ging der doch nur gleich? Ach ja, „nur Fliegen ist schöner“!
Doch allmählich stellt sich bei mir die Erkenntnis ein:
Nur zu Hause bleiben kann noch schöner sein!

Willkommen an Bord, Käpten Hansen freut sich jeck!
Willkommen an Bord! Plastikbecher ist leck!
Willkommen an Bord! Noch ein wenig Salzgebäck?
Willkommen bei der Airline mit der Gabel am Heck!

Willkommen an Bord, Käpten Hansen freut sich jeck!
Willkommen an Bord! Im Nadelstreifentreck!
Willkommen an Bord! Einen Schnaps auf den Schreck.
Willkommen bei der Airline mit der Gabel am Heck!

 

 

 

ZEUGNISTAG

 

Ich denke, ich muß so zwölf Jahre alt gewesen sein,
und wieder einmal war es Zeugnistag.
Nur diesmal, dacht' ich, bricht das Schulhaus samt Dachgestühl ein,
als meines weiß und häßlich vor mir lag.
Dabei war'n meine Hoffnungen keineswegs hoch geschraubt,
ich war ein fauler Hund und obendrein
höchst eigenwillig, doch trotzdem hätte ich nie geglaubt,
so ein totaler Versager zu sein, ein totaler Versager zu sein.

 

So, jetzt ist es passiert, dacht' ich mir, jetzt ist alles aus,
nicht einmal eine Vier in Religion.
Oh Mann, mit diesem Zeugnis kommst du besser nicht nach Haus,

sondern allenfalls zur Fremdenlegion.
Ich zeigt' es meinen Eltern nicht und unterschrieb für sie,
schön bunt, sah nicht schlecht aus, ohne zu prahl'n.
Ich war vielleicht 'ne Niete in Deutsch und Biologie,
dafür konnt' ich schon immer ganz gut mal'n!

 

Der Zauber kam natürlich schon am nächsten Morgen raus,
die Fälschung war wohl doch nicht so geschickt.
Der Rektor kam, holte mich schnaubend aus der Klasse raus,
so stand ich da, allein, stumm und geknickt.
Dann ließ er meine Eltern kommen, lehnte sich zurück,
voll Selbstgerechtigkeit genoß er schon
die Maulschellen für den Betrüger, das mißrat'ne Stück,
diesen Urkundenfälscher, ihren Sohn.

 

Mein Vater nahm das Zeugnis in die Hand und sah mich an
und sagte ruhig: "Was mich anbetrifft,
so gibt es nicht die kleinste Spur eines Zweifels daran,
das ist tatsächlich meine Unterschrift."
Auch meine Mutter sagte, ja, das sei ihr Namenszug.
Gekritzelt zwar, doch müsse man verstehn,
daß sie vorher zwei große, schwere Einkaufstaschen trug.
Dann sagte sie: "Komm, Junge, laß uns gehn."

 

 

Ich hab noch manches lange Jahr auf Schulbänken verlor'n
und lernte widerspruchslos vor mich hin,
Namen, Tabellen, Theorien von hinten und von vorn,
daß ich dabei nicht ganz verblödet bin!
Nur eine Lektion hat sich in den Jahr'n herausgesiebt,
die eine nur aus dem Haufen Ballast:
Wie gut es tut zu wissen, daß dir jemand Zuflucht gibt,
ganz gleich, was du auch ausgefressen hast!

 

 

Ich weiß nicht, ob es rechtens war, daß meine Eltern mich
da rausholten und - wo bleibt die Moral?
Die Schlauen diskutier'n, die Besserwisser streiten sich,
ich weiß es nicht, es ist mir auch egal.
Ich weiß nur eins, ich wünsche allen Kindern auf der Welt,
und nicht zuletzt natürlich dir, mein Kind,
wenn's brenzlig wird, wenn's schiefgeht, wenn die Welt zusammenfällt,

Eltern, die aus diesem Holze sind,
Eltern, die aus diesem Holz geschnitten sind

 

 

 

Antrag Auf Erteilung Eines Antragformulars

 

Mein Verhältnis zu Behörden war nicht immer ungetrübt,

was allein nur daran lag, daß man nicht kann, was man nicht übt.
Heute geh' ich weltmännisch auf allen Ämtern ein und aus,

schließlich bin ich auf den Dienstwegen schon so gut wie zu Haus.
Seit dem Tag an dem die Aktenhauptverwertungsstelle Nord
mich per Einschreiben aufforderte: "Schicken sie uns sofort ..."

Einen Antrag auf Erteilung eines Antragformulars,

zur Betätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars
dessen Gültigkeitsvermerk von der Bezugsbehörde stammt
zum Behuf der Vorlage beim zuständ'gen Erteilungsamt.

Bis zu jenem Tag wußt' ich noch nicht mal, daß es sowas gab,
doch wer gibt das schon gern von sich zu, so kramt' ich was ich hab'
an Papier'n und Dokumenten aus dem alten Pappkarton,Parkausweis,

Freischwimmerzeugnis, Röntgenbild und Wäschebon.
Damit ging ich auf ein Amt, aus all den Türen sucht' ich mir
die sympatischste heraus und klopfte an: "Tag, gibt es hier ..."

Einen Antrag auf Erteilung eines Antragformulars,

zur Betätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars
dessen Gültigkeitsvermerk von der Bezugsbehörde stammt
zum Behuf der Vorlage beim zuständ'gen Erteilungsamt.

Tja, sagte der Herr am Schreibtisch, alles was sie wollen, nur
ich bin hier nur die Vertretung, der Sachbearbeiter ist zur Kur.
Allenfalls könnte ich ihnen, wenn ihnen das etwas nützt,
die Broschüre überlassen, wie man sich vor Karies schützt.
Aber fragen sie mal den Pförtner, man sagt, der kennt sich hier aus,
und das tat ich dann: "Ach bitte, wo bekommt man hier im Haus ..."

eine Antragsformulierung, die die Nichtigkeit erklärt,

für die Vorlage der Gültigkeit, ne halt, das war verkehrt,
deren Gültigkeitsbehörde im Erteilungszustand liegt,

naja sie wissen schon, so'n Zettel, wissen sie, wo man den kriegt?

Da sind sie hier ganz und gar verkehrt, am besten ist, sie gehn
zum Verlegungsdienst für den Bezirksbereich, Parkstraße Zehn.
In die Abwertungsabteilung für den Formularausschuß,

bloß beeil'n sie sich ein bißchen, denn um Zwei Uhr ist da Schluß.
Dort bestell'n sie dann dem Pförtner einen schönen Gruß von mir
und dann kriegen sie im zweiten Stock, rechts, Zimmer Hundertvier

Einen Antrag auf Erteilung eines Antragformulars,

zur Betätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars
dessen Gültigkeitsvermerk von der Bezugsbehörde stammt
zum Behuf der Vorlage beim zuständ'gen Erteilungsamt.


In der Parkstraße Zehn sagte mir der Pförtner Ach, zu dumm,
die auf Hundertvier stell'n seit zwei Wochen auf Computer um.
Und die Nebendienststelle, die sonst Härtefälle betreut
ist seit Elf Uhr zu, die feiern da ein Jubiläum heut.
Frau Schliebrowski ist auf Urlaub, tja, da bleibt ihnen wohl nur
es im Neubau zu probier'n, vielleicht hat da die Registratur

Einen Antrag auf Erteilung eines Antragformulars,

zur Betätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars
dessen Gültigkeitsvermerk von der Bezugsbehörde stammt
zum Behuf der Vorlage beim zuständ'gen Erteilungsamt.

Ich klopfte, trat ein und ich spürte rote Punkte im Gesicht
eine Frau kochte grad Kaffee, sie beachtete mich nicht.
Dann trank sie genüßlich schlürfend, ich stand dumm lächelnd im Raum,
schließlich putzte sie ausgiebig einen fetten Gummibaum.
Ich räusperte mich nocheinmal, dann schrie ich plötzlich schrill,
warf mich trommelnd auf den Boden und ich röchelte "Ich will ..."

Meinen Antrag auf Erteilung eines Antragformulars
zur Bestätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars
dessen Gültigkeit, ach wissen sie, sie rost'ge Gabel sie,
nageln sie sich ihr Scheiß Formular gefälligst selbst vor's Knie.

Schluchzend robbt' ich aus der Tür, blieb zuckend liegen, freundlich hob
mich der Aktenbote auf seinen Aktenkarren und er schob
mich behutsam durch die Flure, spendete mir Trost und Mut
"Wir zwei roll'n jetzt zum Betriebsarzt, dort wird alles wieder gut!
Ich geb' nur noch schnell 'nen Karton Vordrucke bei der Hauspost auf,
würden sie mal kurz aufstehen, sie sitzen nämlich gerade drauf"
das ist ein Posten alter Formulare, die geh'n ans Oberverwaltungsamt zurück,

da sollen die jetzt eingestampft werden, das sind diese völlig überflüssigen

 

Anträge auf Erteilung eines Antragformulars,

zur Betätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars
dessen Gültigkeitsvermerk von der Bezugsbehörde stammt
zum Behuf der Vorlage beim zuständ'gen Erteilungsamt.

 

 

 

Ohne Dich!

 

Oh oh oh oh, jeah jeah jeah jeah, schubididubidi oh oh

Nur mit dir kann ich die Welt verstehn,
Mit dir nur entdeck‘ ich, daß Wunder gescheh‘n.
Ich hab‘ es mit andern versucht,
Doch mir wurde speiübel und ich hab‘ sie verflucht.
Nur Dir kann ich trauen,
Dich kann ich durchschauen, Babe!

Und wenn ich dich einmal verlier‘,
Dann werd‘ ich zum Zombie, dann werd‘ ich zum Tier.
Dann ist für mich alles zu spät,
Dann setzt‘ ich mein Auto voll ins Blumenbeet.
Ohne dich im Leben
Bin ich total daneben, Babe!

Ohne dich finde ich nicht nach Haus,
Keinen Hundehaufen lass ich aus,
Ohne dich beiß‘ ich in den Pokal,
Renn‘ ich gegen den Laternenpfahl,
Find‘ ich nicht mehr raus aus dem Lokal,
Und ich pinkel auch schon mal ins Bücherregal!
Jajaja jajaja jajaja jajaja jajaja jajaja, ja!
Ohooo hooo hoooh

Oh oh oh oh, jeah jeah jeah jeah, schubididubidi oh oh

Ohne dich ist Schluss mit dem Verkehr,
Ohne dich grüße ich meine Freunde nicht mehr,
Ohne dich lauf‘ ich in den Morast,
Ohne dich küss ich Bello und Bello, der fasst!
Ohne dich geh ich unter,
Jede Treppe fall‘ ich runter, Babe!

Ohne dich finde ich nicht nachhaus,
Keinen Hundehaufen lass ich aus,
Ohne dich lauf‘ ich in den Kanal,
Schreit‘ ich durch das geschloss‘ne Portal,
Doch mein Optiker sagt mir, das sei ganz normal,
Wer die Brille nicht trägt, dem passiert das schon mal!
Jajaja jajaja jajaja jajaja jajaja, ja!

Meine Brille!

 

 

Irgendein Depp Bohrt Irgendwo Immer

Ob im größten Saal, ob im kleinsten Zimmer,
irgendein Depp bohrt irgendwo immer.
Ein Borhmaschienen-Rambo, bohrt wie besessen,
hält die Black & Decker wie 'ne Smith & Wesson.
Patronengurt Dübel - gespickt unter den Armen -
der kennt keine Gnade, der kennt kein Erbarmen.
Malt ein Kreuz auf den Putz, zielt und legt an,
drückt skrupellos ab und dann bist du dran!
Ob am hellerlichten Tag, ob beim Sternenschimmer,
irgendein Depp bohrt irgendwo immer.
Das Leben lehrt uns: Das ist nun mal so,
irgendein Depp bohrt immer irgendwo.

Ich hab 'nen Nachbarn mit drei unerträglichen Gören
und einer singt vorm Radio laut mit seinen Fischerchören.
Ich habe Nachbarn, die von früh bis spät Techno hören
und einer schnarcht wie wenn zu Brunftzeit die Hirsche röhren.
Ich hab 'ne Nachbarin, die kichert, gluckst und stöhnt.
das ist alles ganz OK, ich hab mich gut dran gewöhnt.
Aber im Erdgeschoß - da wohnt so'n bauchiger Berserker;
im pink-grau-gelben Joggingdress - ein echter Heimwerker.
mit Stich- und Gehrungssäge und Hochdruckreiniger;
ein Sadist, ein Folterknecht, ein schlimmer Werkzeugpeiniger.
der setzt im Keller seinen Schlagbohrer in Stahlbeton
und dann hat bis zum Dachstuhl rauf das ganze Haus was davon.

Ob im größten Saal, ob im kleinsten Zimmer,
irgendein Depp bohrt irgendwo immer.
Er bohrt sich in Ekstase, in blindwütigen Eifer;
er kriegt Schaum vor dem Mund und sabbert grünen Geifer.
Da hilft kein Stromausfall, kein Voodoo-Zauber;
jeder Psychopath hat einen Akkuschrauber.
Und am Netz - allzeit bereit im ganzen Haus.
Er fräst und schleift und schmirgelt auf Teufel komm raus.
Da hilft kein Flehen; da hilft auch kein Gewimmer -
irgendein Depp bohrt irgendwo immer.
Im Keller, in der Kammer, in der Küche, im Klo -
irgendein Depp bohrt immer irgendwo.


Ich sitz' im Liegestuhl in der Pension "Waldesfrieden";
welcher milde Ferientag ist mir doch heute beschieden.
Der Zeisig tiriliert verklärt - die Buchfinken schlagen -
die Schnepfe piept - der Kuckuck ist am Kuckucksagen.
Ein Windhauch säuselt zärtlich durch das Chlorophyll -
ein Sonnenstrahl umkost mich sanft in diesem Idyll.
Doch in das Bienensummen und das Zirpen der Rohrdommel
mischt sich da nicht das Quietschen einer Kabeltrommel?
und in das Flügelflattern des Zitronenfalters
das metallische Klicken eines Abzugsschalters?
Ein hämmerndes Knirschen kreischt durch die Allee -
das ist der fleißige Herbergsvater mit seiner AEG.

Ob im größten Saal, ob im kleinsten Zimmer,
irgendein Depp bohrt irgendwo immer.
Ein Dünnbrettbohrer, ein Baumarkteinkäufer,
ein Elektroantriebtäter - kurz ein Amokläufer.
Schon lang nichts mehr am Hut mit Skatspiel'n oder Sex, nee -
für den zähl'n nur noch Winkelschleifer und Trennhexe.
Er gönnt sich keine Ruhe und keine Rast,
solange wie noch irgendwo ein Loch reinpaßt.
Bohrer wechseln ja - aufgeben nie und nimmer!
Irgendein Depp bohrt irgendwo immer.
Ohne Sinn und Verstand - dafür brutal und roh -
Irgendein Depp bohrt immer irgendwo.

Mein Damenbesuch ist jetzt schon wirklich guter Dinge -
ich bin charmant, ich rasple Süßholz - ich tanze und singe.
Sie hat mich gerade übermütig in den Po gekniffen -
jetzt rechne ich natürlich gern mit weit'ren Übergriffen.
Ich starte schon mal die CD mit Franz List's Liebestraum,
doch da steht plötzlich dieses Dröhnen zwischen uns im Raum.
Und die Bilder an den Wänden hüpfen und tanzen;
das war's! - der Bohrer in der Wand: der Tod aller Romanzen.
Erst schrill und hoch wie'n Zahnarzt - dann grollendes Gefräse.
Mein Gott! Der bohrt die ganze Wand zu schweizer Käse.
Tut mir leid, Fräulein Ingeborg, es hat nicht sollen sein -
bei diesem Bosch im Nacken fällt mir gar nichts mehr ein.

Ob im größten Saal, ob im kleinsten Zimmer,
irgendein Depp bohrt irgendwo immer.
Doch die härteste Prüfung für Psyche und Ohren
ist die quälende Stille plötzlich nach dem Bohren.
Das Wissen: es kann jeden Moment wieder einsetzen
oder nicht; und dieser Zweifel ist zum Nervenzerfetzen.
Du hörst wohl deinen Puls, du hältst den Atem an und dann
wartest du starr - manchmal tagelang.
Denn Bohren ist schlimm aber Nichtbohren ist schlimmer.
Irgendein Depp bohrt irgendwann immer.
Man weiß nie warum - man fragt sich wieso.
Irgendein Depp bohrt immer irgendwo.

Denn Bohren ist schlimm aber Nichtbohren ist schlimmer.
Irgendein Depp bohrt irgendwann immer.
Man weiß nie warum - man fragt sich wieso.
Irgendein Depp bohrt immer irgendwo.

 

 

 

Alle Rennen

Alle rennen, alle traben,

Alle tun sie irgendwas.
Alle wollen, alle haben

Einen riesen Freizeitspaß.
Alle brauchen, alle tragen

Einen vorgeschrieb'nen Dress.
Alle hetzen, alle jagen,

Alle sind im Freizeitstress.
Alle laufen,

Alle schnaufen,

Alle strampeln,

Alle hampeln,

Alles regt sich

Und bewegt sich

Ringsumher:
Immer schneller, immer höher, immer weiter, immer mehr!

 

Und ich, ich möchte einfach nur im Gras 'rumsitzen,
Die Ameise den Krümel tragen seh'n.
Und Eidechsen, die über Mauerritzen flitzen,
Libellen, die still über'm Tümpel steh'n.
Die Kellerassel mit den dünnen, kleinen Beinen,
Die ihren schweren Leib nach Hause schleppt.
Joggen? Jetzt lieber nicht und Fitnessdrink auch keinen,
Und keinen, der mein altes Fahrrad noch zum Bike

Aufpeppt.

Alle brauchen, alle suchen

Action und Animation.
Alle fluchen, alle buchen

Doch die nächste Reise schon.
Surfen, skaten und snowboarden,

Von der Brücke fall'n am Strick,
Grellbunt aufgestylte Horden

Auf der Suche nach dem Kick.
Alle trecken

Wie die Jecken,

Alle steppen

Wie die Deppen.
Das Gekletter

Auf die Bretter

Bringt's total:
Immer teurer, Immer bunter, immer öfter ins Spital!

 

Und ich, ich möchte einfach nur am Strand rumliegen,
Die warme Sonne spür'n auf meinem Fell.
Die Wellen plätschern hör'n, seh'n, wie der Möwen fliegen,
Und gar nichts tun, und das ja auch nicht schnell.
Ich laß Muscheln und Sand durch meine Finger rinnen,
Ein Glas Wein durch meine Kehle, kühl und herb.
Ich weiß, mit mir da kann man kein Turnier gewinnen
Und auch keinen Pokal und keinen
Strandburgwettbewerb.

Alle wollen, alle müssen

Stets dabeisein und sichtbar
Jemand grüßen, jemand küssen,

Ins Beziehungsseminar
Und in die Flamencotruppe,

In die Bauchtanztherapie,
In die Selbsterfahrungsgruppe,

In die coole Galerie.
T-Shirt malen,

Beitrag zahlen,

Inhalt suchen,

Eierkuchen.
Gib der Batik-

Problematik

Einen Sinn.
Immer hipper, immer flipper, immer hopper, immer popper,
immer dreister und zeitgeister, immerhin!

Und ich, ich möchte einfach nur den Regen schmecken,
Den Windhauch spür'n, die Wolken ziehen seh'n.
Und Fabelwesen und Gesichter drin entdecken,
Und wenn schon gehen, dann nur müßiggeh'n.
Ich übe mich tot stell'n, absagen und verschieben,
Die Zeit tropfen hör'n, eh der Quell versiegt.
Ich möchte einfach nur gern leben und Dich lieben
Wenn darin nun mal meine wirkliche Begabung liegt.

 

 

 

Gib mir Musik

In der zugigen Markthalle, die auf meinem Schulweg lag,
war ein kleiner Plattenladen, bei dem lief den ganzen Tag
ein Zehn-Schellack-Plattenwechsler, und dabei war auch ein Lied,
so ein Lied, wo es dich packt, daß du nicht weißt, wie dir geschieht.
Und da stand ich starr und hörte, und mir blieb gar keine Wahl:
Ich mußt' es wieder hör'n und wieder, noch einmal und noch einmal.
Aber dafür hieß es warten: Zehn Lieder hin und zehn zurück,
jedesmal 'ne knappe Stunde für knapp drei Minuten Glück.
Das gab Arger in der Schule, doch ich hab' mich nicht beschwert,
die Musik war all die Nerverei und alle Schläge wert!

Gib mir Musik!
Alles Gemeine ist verklungen,
all die Hänselei'n, die Mißerfolge, die Demütigungen.
Und die bitt're Niederlage ist in Wirklichkeit ein Sieg.
Gib mir Musik, gib mir Musik, gib mir Musik, gib mir Musik!

In der ersten Frühmaschine zwischen Frankfurt und Berlin,
eingekeilt zwischen zwei Businessmen, das Frühstück auf den Knien,
den Walkman auf den Ohren, die Musik ist klar und laut,
und ich wag' es kaum zu atmen, und ich spür' die Gänsehaut,
wie ein mächt'ger Strom von Wärme mich mit der Musik durchfließt,
wie mir plötzlich, unwillkürlich Wasser in die Augen schießt.
Und ich weiß, ich hab' natürlich kein Taschentuch im Jackett,
und ich wein' einfach drauflos und auf mein Frühstückstablett.
Links und rechts die Nadelstreifen, und ich heulend mittendrin.
Ob die Guten sich wohl vorstell'n können, wie glücklich ich bin?

Gib mir Musik,
um mir ein Feuer anzuzünden,
um die dunklen Tiefen meiner Seele zu ergründen.
Meine Lust und meine Schmerzen, Narben, die ich mir selbst verschwieg.
Gib mir Musik, gib mir Musik, gib mir Musik, gib mir Musik!

In die leere Hotelhalle heimwärts stolpern, nachts um drei.
Noch ein Abend voller Lieder, noch ein Fest ist jetzt vorbei.
Der Portier döst hinterm Tresen, soll es das gewesen sein?
Noch ganz kurz zusammensitzen, das letzte, letzte Glas Wein ...
Und jetzt steht da dies Klavier und Manni rückt den Sessel ran,
streicht ganz sacht über die Tasten, fängt zu spielen an und dann
läßt er Töne funkeln, perlen und wie Stemenstaub aufweh'n,
läßt die Melodien fließen, läßt kleine Wunder gescheh'n.
Und er rührt dich und er schürt dich und zerreißt dich, Ton für Ton,
bis du glaubst, dem Herz zerspringt in einer Freudenexplosion!

Gib mir Musik!
Die Träume, die längst aufgegeben,
verschüttet, in mir verdorr'n, beginnen wieder aufzuleben,
und ich weiß, daß ich jede verlor'ne Chance noch einmal krieg'.
Gib mir Musik, gib mir Musik, gib mir Musik, gib mir Musik!

 

 

 

 

Vernunft Breitet Sich Aus Über Die Bundesrepublik Deutschland


Es kommt durch die Dielenbretter,
durch den Spalt unter der Tür,
Durch den Mauerriß,
durch jeden Zwischenraum.
Es kommt durch die Heizungsrohre,
es kommt durchs Fenster zum Hof,
Und es sieht aus wie ein guter alter Traum,
Und es gurgelt aus dem Abfluß,
Und es raunt im Tiefkühlfach,
Und es wispert hinterm Kaktus,
Und ein Vogel pfeift's vom Dach.
Und dann tritt das Gerücht furchtlos
hinter der Schrankwand hervor,
Verdichtet sich zur Gewißheit
und es flüstert mit im Chor:

Das oberste Menschenverstandskommando gibt bekannt:
Vernunft breitet sich aus
über die Bundesrepublik Deutschland!

Ich lauf runter auf die Straße,
auch der Hauswart weiß es schon,
Sprüht es auf die Wand
und gibt Vernunftalarm.
Es kommt zu rührenden Szenen
tumultart'ger Harmonie,
Und Wildfremde fall'n sich schluchzend in den Arm,
Und da kommt es auch im Fernsehen,
Und jetzt steht's im Extrablatt:
Spontanes Einander-gern-Sehn
Erfaßt schon die ganze Stadt.
Und ein Marsch des guten Willens
hat sich auf den Weg gemacht,
Aus Büros, Fabriken, Schulen, Häusern,
aus dem U-Bahn-Schacht,
Unaufhaltsam wie ein Beben,
mächtig wie ein Flächenbrand:

Vernunft breitet sich aus
über die Bundesrepublik Deutschland!

Und schon werden über Akte der Vernunft Meldungen laut,
Da! Die ersten sinnvollen Dinge geschehn:
Es treten schon hier und da vermehrt Politiker zurück,
Ohne Leugnen, ohne Sichwinden und Dreh'n,
Vorbei sind die hohlen Sprüche,
Korruption und Kungelei.
Jetzt gibt's Ehrlichkeitsausbrüche.
Alle, alle sind dabei:
Hehler, Steuerhinterzieher, Geldwäscher und Dunkelmann
Treten in Bahamas und in Luxemburg den Heimweg an
Und eil'n zum Finanzamt
mit dem Schwarzgeldkoffer in der Hand!

Vernunft breitet sich aus
über die Bundesrepublik Deutschland!

Und die Wurzeln alten Übels
werden endlich aufgedeckt
Und die Schuldigen geächtet und gebannt.
Und ein Gangster wird ein Gangster
und ein Schuft wird jetzt ein Schuft
Und ein Rüstungsfabrikant Mörder genannt.
Und die schlechten Selbstgerechten,
Brandstifter und Biedermann
Und die ganzen rechten Schlechten
Zeigen sich von selber an.
Und die alten und die neuen Ewiggestrigen im Land,
Haben sich selbst abgeschoben, die Staatsbürgerschaft aberkannt.
Mancher kommt geläutert wieder, doch diesmal als Asylant.

Vernunft breitet sich aus
über die Bundesrepublik Deutschland!

Kriegstreiber und Kirchenfürsten
haben endlich ausgespielt,
Die Verdummungsindustrien geh'n bankrott,
Ab jetzt denkt man wieder selber,
wir sind endlich, endlich frei,
Dogmen und Gegängel landen auf dem Schrott,
Schluß mit Häme und Gehetze,
Gepetze und Korruption,
Mit Vertuschung und Geschwätze
Und Verarschung der Nation.
Die gemarterte Kultur kommt langsam wieder auf den Damm:
Anstatt Fernsehwerbung läuft auch ab sofort wieder Programm,
Und der Mutantenstadl wird auf 1 Uhr nachts verbannt.

Vernunft breitet sich aus
über die Bundesrepublik Deutschland!

Jetzt um alles in der Welt
keine Bewegung keinen Ton,
Jetzt nicht aufwachen,
ganz stillhalten, nicht rühren
Nur nichts hören, nur nichts sehen,
nur nichts merken und wenn doch:
Dann nur nicht verzweifeln nicht kapitulierïn!
Mit dem schönen Traum abtauchen ,
In die rauhe Wirklichkeit,
Denn ich werd' ihn dringend brauchen
In dieser verbohrten Zeit:
Ja, der Hauswart kratzt mit Bürste,
Eifer, Fleiß und Terpentin
Fluchend an der Hauswand an der kühnsten aller Utopien,
Nur mein Pulsschlag pocht noch immer
das Graffiti, das da stand:

Vernunft breitet sich aus über
die Bundesrepublik Deutschland!

 

 

 

Maikäfer Fliege

Einer von diesen Frühsommertagen,
Die hell und voller Versprechen sind,
An einen Baum gelehnt im Garten lagen
Wir, du und ich, Vater und Kind.
Du wieseltest auf allen vieren
Zu der verwitterten Gartenbank
Und fandest eins von diesen Krabbeltieren
Und eine Kinderstimme sang:

Maikäfer fliege,
Daß ich dich nicht kriege!
Flieg hinaus ins weite Land,
Fliege fort von meiner Hand!

Noch einmal Tränen vor dem Kindergarten,
Schultüten und so viel Begeisterung.
Das Selbstbewußtsein kriegt die ersten Scharten,
Und das Vertrauen einen ersten Sprung.
Und Immer wieder kommen Zeugnistage
Manchmal Kraftproben und Reibereiïn.
Und jedes Wort erst mal auf die Goldwaage,
Und Feilschen um die Zeit, zu Haus zu sein


Maikäfer fliege,
Daß ich dich nicht kriege!
Flieg hinaus ins weite Land,
Fliege fort von meiner Hand!

Die Zeit der Pflaster und der Schrammen
Auf deinen Knien liegt weit entfernt.
Manchmal stehen wir beide stumm beisammen.
Fliegen hast du längst gelernt.
Dein Bleiben ist nur noch Verweilen,
Gezählt und kostbar ist mir jeder Tag
Und jedes Schweigen, das.wir teilen,
Bis zum großen Flügelschlag.

Maikäfer fliege,
Daß ich dich nicht kriege!
Flieg hinaus ins weite Land,
Fliege fort von meiner Hand!

 

 

 

Mey English Song

 

I once must make an English song,
'cause in my radio every day
I hear them English music play,
and all the radio people stand
on songs they cannot understand!
So I sing English now,
that's really animally strong!
And you can hear my English song all day long
out your loudspeaker at home or riding in your car,
all over this our land, wherever you are,
from Bee-Are-Three to the Double-U-Dee-Are!
Oh baby, oh yeah, oh yeah, oh babe!
A poor little sausage was I
when I in German sang, oh my!
I could not English, but quite cool
I learned it at the Folks High School!
Now my producer says me "Well,
what do we now for records sell!"
So I sing English now,
that's really animally strong!
And you can hear my English song all day long
out your loudspeaker at home or riding in your car,
all over this our land, wherever you are,
from Bee-Are-Three to the Double-U-Dee-Are!
Oh baby-baby-baby-baby, oh yeah, oh baby, oh yeah!
You reach the German music freak
now only if you can English speak!
And if you will a song outbring,
you better should it English sing!
And people flip out, say I you, my friend,
even if they only railroad station understand!
So I sing English now,
that's really animally strong!
And you can hear my English song all day long
out your loudspeaker at home or riding in your car,
all over this our land, wherever you are,
from the Ess-Eff-Bee to the Double-U-Dee-Are!
And you can even me
on Tee-Vee see!
Sometimes at Zed-Dee-Eff,
sometimes at Ay-Are-Dee.
Oh baby, oh yeah!
Oh baby-baby-baby-baby, oh yeah, oh baby, oh yeah!

 

 

 

Ist Mir Das Peinlich

Was ich sage, was ich anfang', ich mach' mir nur Schererein,
und wo immer auch ein Fettnapf steht, da tapp' ich voll hinein,
mach unpassende Bemerkungen mit sicherem Instinkt.
Situationen gibt's, da ünsch' ich, daß die Erde mich verschlingt.
Wenn sich wer so falsch benimmt, ich bin's wahrscheinlich,
und dann steh' ich da und sag', "Ist mir das peinlich".

Ich erinn're mich zum Beispiel noch an einen Stehempfang,
fade Schnäpse, fade Leute, und die Zeit wurde mir lang.
Und so sagte ich jemandem "statt hier dämlich rumzustehn,
woll'n wir in der nächsten Kneipe nicht 'ne Runde flippern geh'n?"
"Abgemacht", sagte der, "aber komm'se, geh'n wir heimich,
ich bin nämlich hier der Gastgeber" - "ist mir das peinlich."

Weil ich immer so mitfühlend, und weil ich so hilfreich bin,
tröstete ich, wenn ihr Mann verreist war, meine Nachbarin
eines Tages kam er, ich weiß nicht, welchem Zufall ich's verdank',
früher, als geplant nach Haus, fand mich in seinem Kleiderschrank.
"Guten Tag", sagte er, "ich heiße Klaus-Heinrich".
Ich sagte: "Angenehm, Klaus" - "ist mir das peinlich."

Die Frau meines Freundes Schlüter kocht so unbeschreiblich schlecht,
daß ein Sprichwirt sagt, bei Schlüters, da erbricht man sich zurecht.
Diesmal hat das Scheusal sich selbst übertroffen, dacht' ich mir.
"Nun", fragte mein magenkranker Freund scheinheilig, "schmeckt es Dir?"
"Aber ja", log ich, "hm, schmeckt ja unwahrscheinlich".
"Na, dann greif' doch noch mal zu." - "ist mir das peinlich!"

Ein Freund schenkte mir ein Ölgemälde, das so scheußlich war,
daß ich es spontan gestiftet habe zum Weihnachtsbazar.
Doch als sich drei Tage später wieder ein Besuch ergab, rief er:
"Sieh doch nur, was ich Dir beim Bazar ersteigert hab':
Ein Gemälde, fast so wie Deins, das ist doch fein, nicht?
Häng' sie doch mal nebeneinander!" - "ist mir das peinlich."

Einfältiger als ich ist da nur noch mein Freund Isidor.
Höflich stellte ich ihm seine Tischdame, Frau Schlottke, vor.
Und er lächelte sie an und sprach charmant: "Wenn Du mich fragst,
Madame sieht doch etwas jünger aus, als Du das immer sagst!"
Und fuhr fort "Sag' mal, warum trittst Du mich heimlich
unterm Tisch immer ans Bein?" - "ist mir das peinlich."

So bring' ich einen Teil meines Lebens mit mich schämen rum
manchmal schäme ich mich lautstark, manchmal schäme ich mich stumm.
Wenn ich noch nicht weiß, warum, schäm' ich mich schon mal auf Verdacht,
ich bin sicher, irgendetwas hab' ich sicher falsch gemacht.
Denn wenn sich wo wer falsch benimmt, bin ich's wahrscheinlich
und dann stamm'le ich schon mal vorsichtshalber: "Ist mir das peinlich."